Magnesium-Pulver zum Frühstück, eine Zinktablette abends, zwischendurch eine Vitamin-C-Brausetablette, eine Omega-3-Kapsel hier, zwei Löffel Eiweiß-Pulver da usw. – immer mehr Menschen schwören auf die Einnahme von sogenannten Nahrungsergänzungsmitteln. Eine gesunde Ernährung ist heute für viele ein fast unüberschaubares Thema und sie versuchen, mit Präparaten aus der Apotheke und dem Drogeriemarkt, ihren Körper optimal mit Mikronährstoffen zu versorgen. Bei wem Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich sinnvoll sein können und in welchen Fällen sie vielleicht sogar eher schaden können, sehen wir uns in diesem Artikel an. Als Einstieg wollen wir uns aber ansehen, was Nahrungsergänzungsmittel per Gesetz überhaupt sind, und einen kurzen Blick auf die Unklarheiten werfen, die es dabei noch gibt.
Was sind Nahrungsergänzungsmittel?
Das österreichische Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) enthält u. a. die gesetzlichen Richtlinien für Lebensmittel, Wasser, aber auch kosmetische Artikel und Nahrungsergänzungsmittel. Laut ihm sind Nahrungsergänzungsmittel
„Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus […] Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in Verkehr gebracht werden” (§3 Z 4 LMSVG; Art 2 lit a NEM-RL).
Die konkreten gesetzlichen Vorschriften zu Nahrungsergänzungsmitteln werden in Österreich und Deutschland in der jeweiligen Nahrungsmittelergänzungs-Verordnung (NEMV) geregelt. Die Basis von beiden bildet die EU-Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (NEM-RL), weshalb sie sich stark ähneln und wir sie gemeinsam betrachten können:
In den NEMV ist, wie wir gesehen haben, von Nährstoffen und sonstigen Stoffen die Rede: Als Nährstoffe gelten Vitamine und Mineralstoffe, als sonstige Stoffe beispielsweise Ballaststoffe, Amino- und Fettsäuren. Zudem wird per Gesetz die Abgabe „in dosierter Form” geregelt, d. h. als Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pulver, Flüssigampullen u. Ä.
Kritik an Nahrungsergänzungsmitteln
Per Gesetz gelten Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel und müssen daher entsprechend den Lebensmittel-Standards hergestellt werden. Sie sind, wie wir gesehen haben, dazu bestimmt, die Ernährung von gesunden Personen zu ergänzen, weshalb sie ausdrücklich nicht als Medikamente eingestuft werden dürfen. Jedoch ergeben sich hier bei der Abgrenzung häufig Schwierigkeiten. Unklarheit besteht z. B. bei der Klassifizierung von Stoffen, die keine Nebenwirkungen verursachen, oder bei mit bestimmten Nährstoffen angereicherten Nahrungsmitteln [1]. Zudem werden folgende Punkte kritisiert [2]:
- Das Design von Nahrungsergänzungsmitteln ist oft nur schwierig von der Aufmachung von Arzneimitteln und ähnlichen Produkten zu unterscheiden.
- Nahrungsergänzungsmittel brauchen keine Zulassung, da sie als Lebensmittel gelten. Für die Einhaltung gültiger Standards und die Wirksamkeit trägt ausschließlich der Produzent Verantwortung.
- Die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften wird nur stichprobenartig kontrolliert.
Da die Verantwortung über die Einhaltung der gesetzlichen Richtlinien allein bei den Herstellern und/oder Händlern liegt, werden die festgesetzten Höchstmengen teilweise überschritten. Da es bislang zudem auf EU-Ebene keine verbindlichen Höchst- und Mindestmengen gibt [3], sind die Höchstmengen in anderen Staaten per Gesetz oftmals deutlich höher angesetzt als in Österreich und Deutschland.
Wie gut sind wir mit Nährstoffen versorgt?
Exakte Informationen darüber, wie gut die Bevölkerung insgesamt mit Nährstoffen versorgt ist, gibt es kaum. Um dies zu überprüfen, müssten Blut- und Urinproben von einer breiten Stichprobe untersucht werden, was sehr zeit- und v. a. kostenintensiv ist. Jedoch liefern uns zwei Studien aus Deutschland zumindest Anhaltspunkte [4, 5]. Eine davon basiert allerdings auf einer Umfrage aus dem Jahre 1998 und ist damit wahrscheinlich kaum noch aktuell. Die Ergebnisse sind daher mit Vorsicht zu interpretieren.
Die Studien deuten beide darauf hin, dass die Nährstoff-Versorgung innerhalb der deutschen Bevölkerung insgesamt ausreichend ist. Jedoch erreichen die meisten untersuchten Erwachsenen mit Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin D nicht die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) angegebenen Referenzwerte. Vitamin B9 findet sich in Lebensmitteln wie Leber, Vollkorn, grünem Gemüse, Karotten und Tomaten, aber auch Nüssen und Eigelb. Für die Vitamin-D-Produktion benötigt der Körper Sonnenlicht, was in unseren Breitengraden v. a. in den Herbst- und Wintermonaten zu einem Mangel an diesem Prohormon führen kann. Die Studien haben gezeigt, dass die meisten außerdem zu wenig Vitamin E zu sich nehmen. Dieses Vitamin ist z. B. in manchen pflanzlichen Ölen, Weizenkeimen und Haselnüssen enthalten. Mehr zu diesem Thema kannst du im Blog-Artikel Mikronährstoffe: Reicht meine Ernährung aus? lesen.
Was tun bei Nährstoffmangel?
Kommen wir nun zu der Frage, die viele am meisten interessieren dürfte: Was sollen wir machen, wenn der Arzt/die Ärztin bei uns einen Vitaminmangel feststellt? Ernährung ist für manche heutzutage ein sehr komplexes Thema – mal werden Kohlenhydrate verteufelt, mal Fette und der Markt an Nahrungsergänzungsmitteln wächst unaufhörlich [2]. Diese können zwar bei manchen Personen in manchen Situationen Abhilfe schaffen, jedoch sollten wir mit künstlichen Vitaminen eher vorsichtig sein. Oftmals ist die Ursache eines Nährstoffmangels eine nicht optimale Ernährung. Sollten wir also einen Mangel an bestimmten Nährstoffen haben, sollten wir zuallerst unsere Ernährungsgewohnheiten kritisch hinterfragen.
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Alle Nährstoffe, die unser Körper benötigt, können wir mit einer ausgewogenen Ernährung zu uns nehmen. In der NEMV ist sogar ausdrücklich geregelt, dass Hersteller in keinem Fall den Eindruck wecken dürfen, dass bei einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen nicht möglich ist.
- Vitamine und Mineralstoffe kommen in jeweils unterschiedlichen Mengen vor allem in Gemüse und Obst vor. Diese natürlichen Lebensmittel enthalten zudem unzählige Begleitstoffe wie sekundäre Pflanzenstoffe, deren Wirkung bis dato noch nicht einmal umfassend erforscht wurde. Man weiß jedoch mittlerweile, dass sie die eigentliche gesundheitsfördernde Wirkung ausmachen.
- Protein (Eiweiß) oder einzelne Bestandteile davon, die Aminosäuren, werden gerne als Pulver konsumiert, kommen aber in vielen Nahrungsmitteln in ausreichender Menge vor. Die Auswahl ist dementsprechend so groß, dass nicht auf Präparate zurückgegriffen werden muss. Anregungen findest du bei meinen Top-6-Eiweißquellen.
Essen wir ausgewogen und nehmen wir genügend Kalorien zu uns, sind Nahrungsergänzungsmittel in den allermeisten Fällen überflüssig. Nährstoffe, bei denen wir uns überlegen könnten, sie ab und an zusätzlich zu uns zu nehmen, findest du unter dem nächsten Punkt. In den allermeisten Fällen ist es jedoch sinnvoller, das Geld für Tabletten, Kapseln oder Pulver in nährstoffreiche, natürliche Lebensmittel zu investieren. Im Artikel über die Makroverteilung – wie viel wovon? kannst du nachlesen, wie du deine Mahlzeiten im Alltag am besten zusammensetzen kannst.
Sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel
Zwei Nahrungsergänzungsmittel könnten bei den meisten Menschen in unseren Breitengraden sinnvoll sein: Vitamin D und Omega 3.
Vitamin D
Vitamin D (genauer: D3) können wir nur sehr schwer in ausreichender Menge über die Nahrung zu uns nehmen. Dieses Hormon wird nahezu vollständig dadurch gebildet, dass UV-Strahlung über die Haut aufgenommen wird. Dafür muss diese jedoch von Sonne beschienen werden. Vor allem in den Herbst- und Wintermonaten ist die Einnahme von Vitamin D3 daher empfehlenswert. Es sollte in Verbindung mit dem Vitamin K2 (MK7) eingenommen werden. Beide Stoffe gibt es als Kombipräparat zu kaufen. Dies kannst du aber am besten mit deinem Arzt/deiner Ärztin absprechen. Vitamin D beugt z. B. einer Winterdepression vor und wirkt sich positiv auf Knochendichte, Herz und Kreislauf sowie das Immunsystem aus.
Omega 3
Bei Omega 3 handelt es sich um eine essenzielle Fettsäure. Zwei wesentliche Arten davon, EPA und DHA, sind fast ausschließlich in fettem Fisch und – jedoch in deutlich geringerer Menge – in Algen enthalten. Da die meisten Menschen heutzutage nicht regelmäßig qualitativ hochwertigen fettigen Fisch oder Algen konsumieren, ist die zusätzliche Einnahme von Omega 3 für die meisten sinnvoll. Diese Fettsäure gibt es meist in Kapselform (,Fischöl-Kapseln‘) zu kaufen. Omega 3 wirkt u. a. entzündungshemmend und ist der ,Gegenspieler‘ einer anderen essenziellen Fettsäure, Omega 6. Da beide in einem ausgewogenen Verhältnis konsumiert werden sollten, unsere heutige Ernährung aber sehr Omega-6-lastig ist, bietet sich die zusätzliche Einnahme von Omega 3 auch unter diesem Gesichtspunkt an.
Für Personen, die ihren Muskelaufbau gezielt fördern möchten, können zudem mitunter folgende Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein:
Eiweißpulver
Vor allem Menschen, die Probleme dabei haben, ihren täglichen Eiweißbedarf mit Nahrung zu decken, können auf Eiweißpulver (z. B. Whey bzw. Molkeeiweiß) zurückgreifen. Dieses hat eine hohe biologische Wertigkeit, d. h. der Körper wird damit gut mit Eiweiß versorgt, weil in dem Pulver alle Aminosäuren enthalten sind. Zudem ist es unkompliziert zu konsumieren und kann z. B. zum Backen verwendet, im Müsli gegessen oder klassisch als Shake getrunken werden.
Kreatin
Kreatin kann die Leistungsfähigkeit im Training erhöhen (bei manchen Personen mehr, bei anderen weniger). Der Grund dafür ist, dass dieser Stoff die Energie-Bereitstellung in der Muskulatur verbessert. Vor allem für Kraftsportler wie Gewichtheber, aber auch Athleten in Schnellkraft-Disziplinen (Sprinter/-innen, Bob-Anschieber/-innen u. Ä.) kann eine zusätzliche Kreatin-Einnahme sinnvoll sein. Von Natur aus kommt dieser Stoff u. a. in Fleisch vor.
Fazit
Unzählige Ernährungsmythen und viel zu viele ungeordnete Informationen zum Thema Ernährung machen es für viele Menschen heute schwierig zu wissen, wie sie sich am besten ausgewogen ernähren. Nahrungsergänzungsmittel erscheinen dabei auf den ersten Blick sinnvoll, sie sind jedoch in den allermeisten Fällen nicht notwendig. Wir sollten stattdessen kritisch hinterfragen, wie wir unsere Ernährungsgewohnheiten umsortieren können. Bereits mit kleinsten Veränderungen können wir unsere Blutwerte sehr positiv beeinflussen. Eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung liefert unserem Körper i. d. R. alle Nährstoffe, die er benötigt, in ausreichender Menge. Nahrungsergänzungsmittel, die in unseren Breitengraden und angesichts moderner Ernährungsweisen dennoch sinnvoll sein können, sind Vitamin D und Omega 3.
Quellen:
[1] WKO (Hg.) (2019): Merkblatt Nahrungsergänzungsmittel [19.06.2022].
[2] Verbraucherzentrale (Hg.) (2021): Allgemeine rechtliche Aspekte zu Nahrungsergänzungsmitteln [19.06.2022].
[3] European Food Safety Authority (Hg.) (o. D.): Nahrungsergänzungsmittel [19.06.2022].
[4] Robert Koch Institut (Hg.) (2002): Was essen wir heute? Ernährungsverhalten in Deutschland. (Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes) [19.06.2022].
[5] Max Rubner-Institut – Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (Hg.) (2008): Nationale Verzehrsstudie II. Ergebnisbericht, Teil 2. Die bundesweite Befragung zur Ernährung von Jugendlichen und Erwachsenen [19.06.2022].